Lena's Taufe

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen.
Amen.

Liebe Tauffamilien, liebe Gemeinde hier in der Herz-Jesu Kirche!

Sorge dich nicht um das, was kommen wird, weine nicht um das, was vergeht, aber sorge dich, dich nicht selbst zu verlieren, und weine, wenn du dahintreibst im Strome der Zeit, ohne den Himmel in dir zu tragen.
Friedrich Daniel Schleiermacher (1768 - 1834)

Dies führt uns direkt zu den heutigen Predigttext, in das Thema, das wir eben ja auch gesungen haben: "Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt".

Aus der Bergpredigt [Matthäus 6,25-33]: "Deshalb sage ich euch: Seid nicht besorgt für euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt, noch für euren Leib, was ihr anziehen sollt. Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung? Seht hin auf die Vögel des Himmels, daß sie nicht säen noch ernten, noch in Scheunen sammeln, und euer himmlischer Vater ernährt sie [doch]. Seid ihr nicht viel vorzüglicher als sie? Wer aber unter euch kann mit Sorgen seiner Lebenslänge eine Elle zusetzen? Und warum seid ihr um Kleidung besorgt? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen: sie mühen sich nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, daß selbst nicht Salomo in all seiner Herrlichkeit bekleidet war wie eine von diesen. Wenn aber Gott das Gras des Feldes, das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, [wird er das] nicht vielmehr euch [tun], ihr Kleingläubigen? So seid nun nicht besorgt, indem ihr sagt: Was sollen wir essen? Oder: Was sollen wir trinken? Oder: Was sollen wir anziehen? Denn nach diesem allen trachten die Nationen; denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr dies alles benötigt. Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden."

Ja, liebe Gemeinde, das klingt bunt, farbenfroh und wunderbar sommerlich, wenn wir von "Narzissen und den Tulipan" sangen - genau nach dem heutigen Predigttext - die sich viel schöner anziehen als Salomonis Seiden: die Welt ein bunter Garten, die Welt ein Wundergarten Gottes, wo Gott vieles harmonisch wachsen und sich regen läßt! Der Paul Gerhardt dichtete das genau vor dreihundertfünfzig Jahren in einer - weiß Gott - gar nicht guten alten Zeit, nämlich direkt nach dem 30jährigen Krieg, mit all den Schrecken über ganz Europa, den Pestseuchen und den von Menschen verursachten Blutspuren einer brutalen Vernichtung. Wie in einem Gegenbild wurde dagegen angesungen in diesem wundervollen Sommerlied des Gottvertrauens: Geh aus mein Herz und suche Freud an deines Gottes Gaben!

Und ich dachte, genau das Gleiche ist es mit einer Taufe, ist es mit der Taufe von Lena heute morgen! Ein anderes Lied als alle Welt es singt, stimmen wir hier an, nicht das Lied der tausend Sorgen, sondern ein Lied wie heute zum Eingang: Gott gab uns Atem, damit wir leben, er gab uns Augen, daß wir recht sehen, er hat uns diese Erde gegeben, daß wir auf ihr die Zeit bestehen! Und das andere Lied, das Gegenlied von eben: Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt, suchet zuerst Gottes Herrschaft!

Gewiß das gebe ich zu, man könnte über Paul Gerhardt lächeln: die Welt ein schöner Garten - das trifft es doch nicht, und man könnte zumal über Jesus lächeln oder spötteln, daß er da in unserem Text daherzukommen scheint - richtig wie ein Hippie, der bunt und flower-power-mäßig in den Tag hineinzuleben scheint: mit seiner Botschaft, sorgt euch nicht, sehet die Vögel an oder die Blumen, die Lilien...

Doch Vorsicht: Wehe, wir hätten diese Seite vergessen, die Jesus uns da in seiner zugespitzten Weise - sehr gegen unseren Trend - unter die Nase hält! Wehe, unsere Kinder, auch Lena hier, wüßten nichts mehr von dieser in gutem Sinne naiven Grundlage allen Lebens, die einfach so heißt: Du, das Wichtigste im Leben kannst du dir nicht kaufen, das Wichtigste im Leben kannst du nicht mit deiner Hektik und Sorge produzieren und herstellen, das Wichtigste gibt es geschenkt, und wenn du vor all deinem Tun und Sorgen das nicht weißt, wenn du keine Gegenbilder und Gegenlieder zur normalen Hektik-Melodie dieser verrückten Welt in dir hast, dann bist du - so schlau du auch tust und so erfolgreich du auch wirkst - innerlich hohl und gehst unter und bist verloren. Das Wichtigste im Leben gibt´s umsonst!

Wohl so etwas meint Jesus in unserem Text, und wäre er leiblich hier und würde über das, was er mit seinem "Sorgt euch nicht!" meint, ich glaube, er würde sich die kleine Lena schnappen und zärtlich auf den Arm nehmen und uns genau das sagen, was er dort im Neuen Testament immer sagt: Die Kinder sind das Wichtigste, an Kindern können Große eine ganze Menge lernen, ja, an Kindern kann man lernen und ablesen, was neunmalkluge Erwachsene in ihrer Hektik immer verdrängen und vergessen, daß es das Wichtigste im Leben, vor all unserem Sorgen, Produzieren und Planen, umsonst gibt: Sehet die Kinder an, sie haben einen Beschützer und Schöpfer, so wie die Lilien und die Tulipan und die Vögel - ihr Neunmalklugen, meint nicht, ihr könntet den Sinn eures Lebens, das Wichtigste, planen, machen und manipulieren! Nehmt erst mal wahr, vor all euren 1000 Sorgen, welch Riesengeschenke ihr da in eurer Mitte habt!

Wie sagt Jesus in der Bergpredigt? Er sagt, wir müssen nicht aufgehen in den Sorgen dieser Welt, er sagt, vor unserem Tun und Sorgen und Planen, da gibt es diese Tiefendimension, die nur die Staunenden und die Kinder, ja und die Betenden kennen: Da ist einer, der sorgt für mich.

Und so auch das Wort des großen Theologen Schleiermacher: "Sorge dich nicht um das, was kommen wird, weine nicht um das, was vergeht, aber sorge dich, dich nicht selbst zu verlieren und weine, wenn du dahintreibst im Strome der Zeit, ohne den Himmel in dir zu tragen."

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

Pfarrer Elsner, Herz-Jesu Kirche Berlin Charlottenburg am Sonntag, den 13. August 2000 von 10:30 bis 12 Uhr